Donnerstag, 27. Mai 2010

Donnerstag, 27. Mai 2010

Ich werde nicht sterben, sondern leben und des HERRN Werke verkündigen.
Psalm 118,17

Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir.
Galater 2,20

Niemand ist sich selbst genug

Eigentlich ist es ja ein ungeheuerlicher Satz, den Paulus da schreibt: „Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir.“ Für ihn ist es das Zentrum der Neuausrichtung seiner Identität und der Grund seiner Freiheit. Er, der mit besonderem Eifer die Gebote Gottes erfüllen wollte, weiss nun, dass er gerade mit diesem Eifer, mit seinen Vollkommenheitsidealen letztlich in sich selbst verschlossen geblieben ist und nur scheitern konnte. Erst als er sich davon lösen und sich öffnen konnte, bekam sein Leben eine neue Richtung. Seine Erkenntnis: In all meiner Begrenztheit und Unvollkommenheit darf ich vertrauen, dass ein anderer für mich eintritt und die Fragmente meines Lebens ganz macht. Das ermöglicht Gelassenheit und gibt innere Ruhe. Denn das Zentrum meines Lebens ist nicht meine stets höchst unvollkommenen Identität, sondern Christus, der mich mit mir selbst, mit Gott und mit dem Leben versöhnen will.
Jenseits von Selbstaufgabe und Selbstverwirklichung taucht hier die Möglichkeit eines Lebens auf, das Selbstverwirklichung ermöglicht im Loslassen von Identitätszwängen, weil wir einfach sein dürfen und nicht etwas aus uns machen müssen, weil wir uns selbst erst dann finden, wenn wir von uns weggehen und den Anruf des Anderen - Gottes und der Mitmenschen - vernehmen. Ich bin mir nicht selbst genug, auch wenn ich mich noch so sehr mühe - diese Erkenntnis des Paulus kann unser Leben öffnen, uns freier und gelassener machen.

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