Montag, 19. April 2010

Montag, 19. April 2010

Israel, du sollst mein Knecht sein; ich erwähle dich und verwerfe dich nicht.
Jesaja 41,9

Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und bestimmt, dass ihr hingeht und Frucht bringt.
Johannes 15,16

Der Zwang zur Häresie

Ein Klassiker der Religionssoziologie trägt den Titel „Der Zwang zur Häresie“. Der Autor Peter Berger zeigt darin auf, dass in der Moderne Religion und Glauben zu einer Sache der individuellen Wahl werden. Vom Wortsinn her bedeutet Häresie nämlich zuerst einfach Wahl. In der kirchlichen Tradition wurde daraus dann die Irrlehre. Berger zeigt nun auf, dass wir in der Moderne gar keine andere Möglichkeit mehr haben als auf dem Markt der religiösen Angebote auszuwählen. Diese Tendenz hat sich unbestreitbar verstärkt. Religiös Suchende sind immer weniger einfach in einer der grossen Kirchen beheimatet, sondern kombinieren unterschiedliche Sinnangebote zu einer individuellen Religiosität. Und auch wer seine Heimat in einer der grossen christlichen Kirchen findet, tut dies als Wahl im wissen darum, dass er Alternativen hätte. Das Positive daran ist, dass kirchliche und religiöse Autoritäten immer weniger selbstverständlich Macht über die Gläubigen besitzen. Der Zwang zur Häresie ist auch ein Freiheitsgewinn, den wir nicht gering schätzen sollten.
Losung und Lehrtext des heutigen Tages weisen uns aber auch noch auf eine andere Seite hin. „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und bestimmt, dass ihr hingeht und Frucht bringt.“ Noch ehe wir irgendetwas wählen könnten, hat Gott uns erwählt. Wir leben nicht zuerst von unseren klugen Entscheidungen und unseren Taten, sondern von der zuvorkommenden Gnade Gottes. Sein Ja geht all unseren Entscheidungen voraus. Wir können nicht mehr anders als unsere Religion zu wählen. Und es wäre fatal, wenn wir uns dabei ein für allemal bedingungslos einer Lehre unterwerfen würden. Doch bei allem Wählen und Entscheiden dürfen wir nicht vergessen, dass Gottes Ja zu uns vorausgeht und nicht von unserer Wahl abhängt. Das, was uns wirklich trägt im Leben, das können wir nicht machen, dass können wir nur wahrnehmen und dankbar annehmen und uns darüber freuen, dass wir gehalten sind.

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