Donnerstag, 14. Januar 2010

Mittwoch, 20.1.2010

Das soll der Bund sein, den ich mit dem Hause Israel schließen will nach dieser Zeit, spricht der HERR: Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben, und sie sollen mein Volk sein, und ich will ihr Gott sein.

Jeremia 31,33

Der Gott des Friedens, der den großen Hirten der Schafe, unsern Herrn Jesus, von den Toten heraufgeführt hat durch das Blut des ewigen Bundes, der mache euch tüchtig in allem Guten, zu tun seinen Willen.

Hebräer 13,20-21

Segen

Was für ein Satz! Mit einem Segenswunsch beschliesst der Verfasser des Hebräerbriefs seinen Brief. Es ist ein Brief, der engagiert anschreibt gegen eine Stimmung von Müdigkeit und Kleinmut, und spürbar kräftig ist der Segenswunsch am Ende. Und da ja auch uns Müdigkeit und Kleinmut wohl keine völlig unvertraute Stimmungslage sein dürfte, ist es gut wenn wir diese Bitte, diesen Wunsch, diesen Zuspruch auch auf uns beziehen: dass wir Menschen sein mögen, die sich ganz von dem Gott bestimmen lassen, den die Bibel den Gott des Friedens nennt.

Gegen die Müdigkeit und den Kleinmut bestärkt der Hebräerbrief die Christen in ihrem Glauben, dass der Gott des Friedens der Gott ist, "der den grossen Hirten der Schafe mit dem Blut eines ewigen Bundes von den Toten wiedergebracht hat, unseren Herrn Jesus". In ungeheurer Dichte bringt er die Botschaft seines ganzen Briefes, die Wahrheit des Evangeliums noch einmal auf den Punkt. Das Leben und Sterben und die Auferweckung Jesu von Nazareth sind uns zugute geschehen. In Jesus hat Gott einen ewigen Bund mit uns geschlossen. Und das heisst für den Verfasser des Hebräerbriefes: Die Zeit des Opferns ist vorbei. Gott will nicht durch Opfer gnädig gestimmt werden. Nun kennen wir ja in unseren Gottesdiensten schon lange keine Opferriten mehr. Ist dieses Grundanliegen des Hebr also für uns nur noch von religionsgeschichtlichem Interesse? Ich denke, so einfach werden wir die Logik des Opferns nicht los. Verkehrsopfer, Drogenopfer - unsere Sprache verrät uns, wie allgegenwärtig die Logik des Opferns auch heute noch ist. Und die Frage ist nicht nur erlaubt, sondern immer wieder notwendig, wem denn diese Opfer gebracht werden!

Aber auch in unser Gottesverhältnis schleicht sich die Logik des Opferns und Leistungen Erbringens immer wieder ein. Gottes Liebe und Anerkennung brauchen wir uns aber nicht durch irgendwelche Vorleistungen und guten Taten zu verdienen. Das ist die zentrale Entdeckung, die Luther und die Reformatoren in der Bibel gemacht haben. Und sie ist auch heute noch aktuell. Sie ist ein Gegengift gegen den Druck der Anforderungen und Ansprüche in unserer Leistungsgesellschaft, die zunehmend ins Unermessliche wachsen. Gott hat mit uns Frieden geschlossen. Er eröffnet uns einen Raum zum Leben, in dem wir uns entfalten können. Er fordert nicht, sondern er ermöglicht und befähigt.

"Der Gott des Friedens, der den grossen Hirten der Schafe mit dem Blut eines ewigen Bundes von den Toten wiedergebracht hat, unseren Herrn Jesus, möge euch tüchtig machen in allem Guten, seinen Willen zu tun, und in uns schaffen, was vor ihm wohlgefällig ist". Nicht Ermahnungen - die gibt es auch -, nicht Forderungen und Gebote beschliessen den Hebr, sondern ein Segenswunsch. So wie auch wir unsere Gottesdienste mit dem Segen beschliessen. Für mich ist im Gottesdienst der Segen mit das Wichtigste. Und es ist mir auch sehr wichtig, dass gerade am Ende des Gottesdienstes weder Belehrung noch Ermahnung stehen, sondern die Bitte um göttlichen Segen, der Zuspruch des göttlichen Segens, die Vergewisserung, dass ich die Kraft bekomme, die ich zum Leben brauche, Mut und Hoffnung und die Fähigkeit, Leben zu bewahren und zu fördern.

Im reformierten Gottesdienst gibt es verschiedene Formen des Segens. Manche bitten um den Segen, die Hände zum Gebet gefaltet. Sie bringen damit zum Ausdruck, dass wir über den Segen Gottes nicht verfügen können, auch die Pfarrerinnen und Pfarrer nicht. Der Pfarrer, die Pfarrerin gehören zur Gemeinde und gemeinsam können wir nur bitten, dass Gott uns seinen Segen, die Kraft, die wir brauchen, schenken möge. Bitten in der Gewissheit, dass Gott uns auch schenken wird, was er uns zugesagt hat. Andere - so auch ich - sprechen den Segen zu, mit erhobenen Händen, der Geste des Austeilens und Mitteilens. Auch ich weiss, dass ich genauso wie alle anderen auf Segen angewiesen bin und ich weiss auch, dass ich über den Segen nicht verfügen kann. Aber am Ende des Gottesdienstes soll für mich die Zusage stehen, dass Gott in unserem Alltag mit seinem Segen uns begleiten wird, dass er uns befähigen wird, das Gute, das er von uns will, zu erkennen und zu tun und dass er uns die Kraft geben wird, unsere Müdigkeit und Resignation zu überwinden und in Trauer und Leid nicht zu verzweifeln. Und ich denke, dass dies in der Form des direkten Zuspruchs und der sichtbaren Segensgeste am deutlichsten zum Ausdruck kommt. Worte und Gesten des Segens sind in unserem Leben Mangelware. Und es wäre zu wünschen, dass sie nicht nur im Gottesdienst, sondern auch in unserem Alltag mehr Raum finden. Ich denke z.B. daran, wie Eltern in katholischen Familien - z.T. auch heute noch - ihren Kindern beim Verlassen des Hauses mit dem Finger ein Kreuz auf die Stirn zeichnen. Solche Gesten können wir nicht einfach kopieren. Aber brauchen wir nicht auch Gesten und Zeichen, gute Worte, die uns immer wieder neu die Gewissheit geben, dass wir nicht allein auf unsere eigene Kraft angewiesen sind, sondern dass Gott uns mit seinem Geist und seinem Segen begleitet?

Segen ist gratis. Wir müssen uns den Segen nicht durch unsere guten Taten verdienen. Aber als Gesegnete werden wir befähigt zum Tun des Gerechten. Dietrich Bonhoeffer hat einmal geschrieben, dass unser christlicher Glaube künftig nur noch aus Beten und aus dem Tun des Gerechten bestehen könne. Nicht aus ewig gültigen unveränderlichen Wahrheiten besteht unser Glaube, sondern darin, dass wir offen sind für das, was uns begegnet und es in Klagen und Fragen, Bitten und Danken vor Gott bringen und in uns die Leidenschaft wecken lassen für alles Leben, für Gerechtigkeit und Frieden in unseren persönlichen Beziehungen, aber auch in unseren politischen Verhältnissen. Persönliche Frömmigkeit und Einsatz für Gerechtigkeit sind kein Gegensatz. Sie sind aufeinander angewiesen.

Der Segenswunsch am Ende des Hebr möchte uns bestärken in dem Vertrauen, dass Gott uns einen Raum zum Leben eröffnen will, in dem wir uns entfalten können. Helmut Gollwitzer hat die Botschaft unseres Predigttextes vor vielen Jahren in einem langen, aber eindrücklichen Satz zusammengefasst. "Wir bitten also zuallererst darum, dass diese grosse Gottesgeschichte uns nicht umsonst geschehen und gesagt ist, dass unser Herz dafür nicht zu klein ist, unsere Vernunft dafür nicht zu töricht, unser Leichtsinn oder auch unsere Verzweiflung dafür nicht zu gross, unsere Ohren dafür nicht zu unaufmerksam sind, sondern dass Er selbst, der grosse Täter in dieser Geschichte, unsere Herzen offen und weit, unsere Vernunft vernehmend und weise, unsere Ohren gespannt und aufmerkend mache, unseren Leichtsinn zum Ernst und unsere Verzweiflung zur Hoffnung wandle, kurz, dass Er jeden Tag durch Sein Wort, durch die Verkündigung dieser Geschichte in unser Wesen und Leben das Fenster des Glaubens schlage, durch das Himmelsluft einströmen und alle bösen Geister vertreiben kann".

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